Der Druckpunkt an der Bar

Kurz gesagt: es gibt keinen Druckpunkt an der Bar.
Mancher Ex-Windsurfer kennt anscheinend noch von früher die Druckpunkt-Wanderung am Gabelbaum, und denkt es müsste an der Bar auch einen Druckpunkt geben.

Was ist der Druckpunkt wirklich?
Der Druckpunkt ist eine Erfindung der Aerodynamiker, um sich die Kräfte an einem Flügel zu vereinfachen.
Rund um den Flügel greifen ganz viele und sehr verschiedene Druck und Saugkräfte an:


Die Druckkräfte an einem Kite Profil. Er wäre kompliziert mit all den vielen kleinen Kräften zu rechnen. Deshalb kann man sie zusammen fassen.

Um die Druckkräfte vereinfachend zusammen zu fassen sind zwei verschiedene Methoden verbreitet:

  • Auftrieb, Widerstand, Nickmoment Modell: die Kräfte werden in 2 Kräfte und 1 Moment zusammengefasst.
  • Druckpunkt Modell: hier wird alles auf eine Luftkraft zusammen gefasst. Je nach Anstellwinkel wandert diese Kraft aber. Der Punkt wo diese Luftkraft angreift nennt man Druckpunkt.


Das Druckpunkt-Modell: alle Druckkräfte vom Bild zuvor werden zu einer einzigen Resultierenden Zusammen gefasst. Nachteil dieser Modellierung: die Luftkraft wandert je nach Anstellwinkel, das ist was man Druckpunkt Wanderung nennt.


Die Druckpunkt Wanderung: Hier ist eingezeichnet bei welchem Anstellwinkel in Grad die Luftkraft wo angreift. Das Profil ist hier als Beispiel das ClarkY, ein 0815 Tragflächen Profil (für “normale” Flugzeuge mit Leitwerk); die Vektorlänge ist hier der Luftkraftbeiwert/2.

Beim Windsurfen spürt man den Druckpunkt tatsächlich sehr direkt, da man ja quasi den Flügel direkt in der Hand hält.
Beim Kite allerdings nicht. Die Anstellwinkel können an den Tips und in der Mitte des Kites recht verschieden sein, und damit gibt es auch innerhalb des Kites ganz verschiedene Druckpunkt Positionen.
Dann fließt die Kraft durch die Kappe selbst, durch verschiedene Waagekonstruktionen etc. und wird je nach Kite verschiedenen auf die 4 Flugleinen verteilt.

Schlussendlich hat das was man an der Bar spürt so gut wie gar nichts mit den verschiedenen Druckpunkt Lagen am Kite zu tun.

All dies soll nicht heißen, dass die Barkräfte nicht wichtig wären, sind sie sehr wohl.
Sie geben dem Fahrer Rückmeldung was der Kite tut, und machen so ein blindes Fliegen des Kites erst möglich.
Viele Fahrer wünschen sich Barkräfte die z.B. bei Steuerausschlag progressiv ansteigen, d.h. die bei voll eingeschlagener Bar stark zunehmen. Es bleibt jedoch immer ein Kraftverlauf, und es gibt keinen Punkt an der Bar wie den viel zitierten Druckpunkt.
Das erkennt man auch an typischen Beschreibungen wie “An Kite XY ist der Druckpunkt leicht zu finden”. Jeder weiß, bei viel Wind schiebe ich die Bar weiter weg, bei weniger ziehe ich sie mehr heran. Es gibt keine fixe Position wo die Bar immer hin gehört.