„Schräger Vogel“ –Ein Dauerflieger im HLG-Format

Entstanden um 1999 als die ersten Lithium-Ionen Akkus mit bis dahin unerreichter Energiedichte zur Verfügung standen.

Die Flugzeit war für damalige Verhältnisse extrem lang, und das Fluggerät entsprechend energieeffizient ausgelegt.

Technische Daten:
Fluggewicht: 229 g
Spannweite: 150 cm
Rumpflänge ü.a.: 101 cm
Fläche: ca. 24,1 qdm
Flächenbelastung: 9,5 g/qdm
Motor: Pusteblume mit Inline-Planeten-Getriebe 4:1
Luftschraube: Cam Folding Prop 9*5″ bzw. Rasas Slow Motion Carbon Prop
Regler: Reg-12mp (Gross Modellbau)
Akku 3 Tadiran 800mAh Lithium-Manganoxid-Zellen (Energiedichte 141Wh/kg)
Flugzeit in ruhiger Luft: 1h 15min
(Das entspräche mit 2016 verfügbaren Lithium Ionen Akkus mit einer Energiedichte von 260 Wh/kg einer Flugzeit von 2h 18min!)

Auslegung:

Klares Entwicklungsziel war eine möglichst lange Flugdauer mit einer Akkuladung. Um thermische Aufwinde zur weiteren Flugzeitverlängerung nutzen zu können, spielten die hierfür erforderlichen Flugeigenschaften (kleinstmöglicher fliegbarer Kurvenradius, Stabilität um alle Achsen, niedrige Sinkgeschwindigkeit d.h. hohe Steigzahl) eine entscheidende Rolle.

Bei der konkreten Planung spielte vor allem die Technik der neuen Lithium-Manganoxid-Akkus eine entscheidende Rolle, denn diese Zellen mit 3 V pro Zelle und 800 mAh dürfen nur mit 1-1,5 A entladen werden was die Dimensionen des Antriebs vorgibt. Optimal abgestimmt für einen dreizelligen Akku ist das Pusteblume Antriebsset von Groß, das mit einem schlanken Inline-Planetengetriebe lieferbar, die Leistung mit relativ gutem Wirkungsgrad über einen CAM- Prop 9*5″ bzw. dem von Groß speziell hierfür entwickelten Rasas Slow Motion Carbon Propeller umsetzt (später mehr über die spezifischen Eigenschaften). Der Pusteblumeantrieb zeichnet sich vor allem durch sein geringes Gewicht von nur 24g aus.

Insgesamt sind durch dieses Antriebsset auch für die Modellmasse und Größe enge Grenzen gesteckt.

Die Motorisierung ist stark genug für Bodenstart von Asphalt und zeichnet sich ansonsten vor allem durch sein geringes Gewicht von nur 24g für ein solches Modell aus.

Das Herzstück: der Akku

Ohne die Lithiumzellen wäre wohl nicht annähernd die gleiche Flugzeit von 1h und 15 min in ruhiger Luft zu erreichen gewesen, da der spezifische (massebezogene) Energiegehalt herkömlicher Nickel-Cadnium Akkus und auch Nickelmetallhydrid-Akkus wesentlich kleiner ist. Hier ein Vergleich einiger ausgewählter Akkutypen:

Tadiran (Lithium-Ionen Akku) 800 mAh-LIM: 141 Wh/kg
Sanyo N 500 AR (NC-Hochstromzelle): 32 Wh/kg
Sanyo N 1700 SCR (NC-Hochstromzelle): 38 Wh/kg
Sanyo N 1000 3US (NC-Hochkapazitätszelle): 55 Wh/kg
Sanyo KR 1400 AE (NC-Hochkapazitätszelle): 53 Wh/kg
GP (Conrad) Mignon (Nickel-Metall-Hydrid Hochkapazitätszelle): 67 Wh/kg
Kokam Lithium-Polymer Kok1200H: 207 Wh/kg

Die zuletzt angeführten Lithium-Polymer Akkus waren zum Zeitpunkt der Entstehung des Modells leider noch nicht verfügbar. Inzwischen existiert aber bereits ein Nachbau des “Schrägen Vogels” mit einem etwas höherem Fluggewicht von 290g. Hier stößt der Pusteblume Antrieb an seine Grenzen und passt zudem schlecht zur Spannungsabstufung von 3,7 V pro Zelle der Lithium-Polymer Akkus. Zwei Zellen wären etwas zu wenig, drei eindeutig zu viel.

Im erwähnten Modell haben sich drei Zellen 1200 mAh mit zusammen 11,1 V und einem “Bienchen” Antriebsset von Groß Modellbau bestens bewährt. Hier ist reichlich Leistungsüberschuss vorhanden was zu hervorragendem Steigen führt und trotzdem Flugzeiten in ruhiger Luft von ca 1h 30min ermöglicht.

Aufbau


Rumpf

Der Rumpf wurde konventionell in Balsa-Kastenbauweise aus ausgesuchtem 1,5 mm Balsaholz erstellt und nur mit Porenfüller gestrichen. Bodenberührungen bei denen der Rumpf mit Nässe und Schmutz in Berührung kommt, treten ohnehin praktisch nicht auf da man den “Schrägen Vogel”, wenn man doch mal landet, bequem auffangen kann. So ist auch die superdünne Kondensatorfolienbespannung keiner Gefahr durch Stopeln oder Ähnliches ausgesetzt.

Der Motorspant ist wie der Pusteblume-Antrieb von Gross und besteht aus GFK – eine sinnvolle Investition, denn für das winzige Planetengetriebe müssen die Bohrungen für Motorachse und die Befestigungsschrauben so nahe beieinander liegen, dass hier Sperrholz hoffnungslos zersplittern würde.

Das Leitwerk wurde als ebene Platte mit 3 mm Dicke in Gitterbauweise aus leichtem Balsaholz ausgeführt und entspricht in den Dimensionen bewährten Maßen von meinen HLGs. Das Seitenleitwerk ist dabei für gute Wirksamkeit und geringe Wirbelbildung beim Ausschlag als Pendelruder ausgelegt und auf einem 1,5 mm CFK-Rundstab gelagert.

Angelenkt sind sowohl Höhen- als auch Seitenruder mit 0,2 mm Stahldrähten mit 0,5mm dicken Stücken an den Enden um durch Kröpfung eingehängt werden zu können. An diesen ist auch ein V-Knick zur Längenjustierung angebracht, der nach dem Einstellen mit einem aufgelöteten Stahldrahtstück versteift wird und sich so bei den ständig auf Zug belasteten Zügen nicht mehr verstellen kann. Der Gegenzug wird beim Höhenruder durch eine Spreizfeder zwischen Rumpfende und Ruderhorn hergestellt. Beim Seitenruder ist um den CFK-Stab eine Torsionsfeder (0,5 mm Federstahldraht) installiert die das Ruder permanent auf eine Seite drückt und so den Anlenkungsdraht spannt.

Insgesamt ist diese Anlenkungsmethode zwar aufwendiger aber viel leichter als ein Bowdenzug aus Innenrohr +0,6 mm Draht oder gar schweren Standard-Bowdenzügen und dabei noch absolut spielfrei.

Flügel:

Die Tragfläche sollte speziell für die Strahlgeschwindigkeit des Pusteblume-Anrtieb geeignet sein, ohne jedoch die sonstigen Anforderungen an das Modell zu vernachlässigen. Mit den guten Allroundeigenschaften und Leistungen (hier v.a. Sinkgeschwindigkeit) des S 4083 lagen bereits viele gute Erfahrungen aus dem HLG Bereich vor.

Auch wenn desshalb die primären Anforderungen auf ein Profil mit hoher Steigzahl abzielen, sollte die Gleitzahl dennoch beachtung finden. Man denke zum einen an des Durchfliegen von Abwind- und neutralen Zonen bei der Thermiksuche, das Fliegen bei Wind (Rückkehr aus Lee) und natürlich an die Abstimmung ausf den Pusteblume Antrieb.

Aus diesen Kriterien heraus wurde ein modifiziertes S 4083 (Orginal 8% Dicke, 3,45% Wölbung) mit jetzt nur noch 6,8 % Dicke und 2,6 % Wölbung ausgewählt, was also deutlich vom Orginal abweicht.

Die nummerisch ermittelte Polare (Designfoil) zeigt trotz der geringen Re-Zahl von 50 000 keine Anzeichen von laminaren Ablösungen, was zumindest als positives Anzeichen gewertet werden kann, auch wenn es sich “nur” um eine theoretische Polare handelt.

Praktisch bewährte sich diese Profilvariante sehr gut. Sie ergibt zusammen mit dem gewählten Grundriss und V-Form einen recht gutmütigen Strömungsabriss. Im direkten Vergleich mit einem orginal S 4083 Flügel reißt dieser noch etwas gutmütiger ab, was jedoch v.a. aufgrund der höheren Dicke zu erwarten war.

Mit dem Cam Folding Prop 9*5″ wird die beste Steiggeschwindigkeit bei minimaler Fluggeschwindigkeit erreicht, die Strahlgeschwindigkeit ist also relative langsam. Versuche mit einem HLG-Flügel gleicher Größenordnung jedoch mit langsamerem Profil (7% Dicke, 3% Wölbung) ergaben trotz 10 g Mehrgewicht des Flügels mindestens gleichgute Steigleistung, was ein Indiz dafür zu sein scheint, dass eine Auslegung mit langsamerem Profil (zumindest bei ruhiger Luft ohne Thermik) zu längeren Flugzeiten geführt hätte. Bei Wind und beim Thermikfliegen kommt einem das etwas schnellere Profil als taktischer Vorteil zu Gute.

Die bessere Allroundeignung, z.B. auch zur Rückkehr aus Lee, ergibt der speziell für den Pusteblume Antrieb von Gross entwickelte Rasas Slow Motion Carbon Propeller. Die von ihm erzeugte höhere Strahlgeschwindigkeit zeigt sich schon im Steigflug der nun mit etwas mehr Fahrt besser funktioniert. Auch für kleine Spasseinlagen wie Rückenflug, Positiv/Negativ Loops, Turns etc. macht dieser Propeller mehr Spaß.

Die Belastbarkeit des Modell setzt hierbei keine Grenzen.

Die Flügelgeometrie ist zugegebenermaßen etwas “mainstream” mit gerader Endleiste, aber ich wollte keine Experimente bei der Geometrie außer der Schrägstellung eingehen und verwendete ein Rechteckmittelteil mit je drei angehängten Trapezen. So entsteht eine Annäherung an die elliptische Auftriebsverteilung sowie eine tipletartige Außenflügelgestaltung, was beides Maßnahmen zur Reduktion des Induzierten Wiederstandes darstellen.

Das Auffalligste, weil Ungewöhnlichste am Flügel ist, wie in der Zeichnung zu sehen, wohl die Schrägstellung von 3 °, was jedoch nicht heisst, dass ein normaler Flügel einfach schief montiert wurde. Rippen und Knicke im Flügel sind weiterhin parallel zum Rumpf.

So wird erreicht, dass in Rechtskurven, was bei den meisten Rechtshändern wie mir die Schokoladenkreisrichtung ist, automatisch ein Drehmoment um die Querachse entsteht was das übliche Ziehen am Höhenruder ersetzt und so Widerstand einspart. Beim fliegen einer Rechtskurve schiebt das Modell zunächst nachlinks, wesshalb der linke Aussenflügel mehr Auftrieb produziert und der rechte entsprechend weniger. Da der linke Aussenflügel vor dem Schwerpunkt versetzt und der rechte dahinter sitzt, entsteht so das bei geradem Flügel nicht vorhandene Moment um die Querachse.

Da sich derartige Dauerflieger die allermeiste Zeit im Kreisflug befinden hielt ich einen Versuch in dieser Richtung für lohnenswert.

In der Praxis stellte sich heraus, dass die Schrägstellung mit nur 3° zu schüchtern gewählt wurde um den Höhenruderausschlag komplett zu ersetzen, jedoch ist verglichen mit Linkskreisen die stützende Funktion der Flügelschrägstellung zu spüren.

Aufgebaut ist der Flügel in bewährter Kohlerohrholmbauweise aus dem HLG Bereich, mit speziell angefertigten Rohrholmen aus verscheidenen Kohlefaserschläuchen und unidirektional orientierten Kohlefasergurten oben und unten. Nur so lässt sich ein Flügel realisieren der bei einem solch geringen Gewicht (flugfertig 50 g) in der Luft absolut unzerstörbar ist. Man braucht keine Angst zu haben das Modell nach 100m Sturzflug abzufangen etc..

Gewichtsbilanz:

Rumpf (Balsa 1,5 mm mit CFK und GFK-Verstärkungen) incl. Porenfülleranstrich,
Verstärkungen, Ruderzügen, Spanten, Rumpfdeckel, Flügelbefestigung,
Pendelseitenleitwerkslagerung etc 36,2 g
Seitenleitwerk (unbespannt 1,8 g) mit 2,2 g/qm Kondensatorfolie 2,3 g
Höhenleitwerk ( unbespannt 4,0 g) mit 7 g/qm Kondensatorfolie 5,3 g
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Rumpf komplett leer: 43,8 g

Tadiran Lithium-Manganoxid Akku, 3 Zellen 800 mAh incl Verkabelung und Stecker 52 g
Pusteblume Motor mit Planetengetriebe 26,8 g
Regler Reg-12mp (ohne Verkabelung 1,8 g) 6,6 g
Klappluftschraube 12,4 g
RC-Block( MPX Pico 4/5 Empfänger, 2 9g-Servos) 37 g
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Rumpf komplett: 178,6 g

Flügel unbespannt 45,0 g
Bespannung Kondensatorfolie 7 g/qm 5,0 g
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Flügel flugfertig: 50 g

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Fluggewicht: 228,6 g

Fliegen:
Beim Anstecken des Akkus ein kurzes Piep vom Regler, nun einmal den Gasknüppel auf Vollgas (Motor läuft noch nicht) woraufhin ein weiteres Piep ertönt. Nach dem Zurücknehmen der Vollgasstellung kann es losgehen. Aufgrund der zu erwartenden Flugzeit schadet es nicht einen Klappstuhl bereitzustellen.

Ist eine gewisse Sicherheitshöhe erreicht genügt weniger als Halbgas um die Höhe zu halten. Jetzt steht genügend Zeit zur Thermiksuche zur Verfügung, so dass ein weites Terrain abgesucht werden kann. Durch die geringen Massenträgheitsmomente des Modells werden Anzeichen von Thermik gut erkennbar angezeigt.

Beim nun folgenden kreisen im Bart kann das Modell ruhig eine Zeit lang sich selbst überlassen werden wenn die Thermik nicht zu ruppig ist. Es verhält sich so stabil, dass es mit etwas Kurven und Höhentrimmung selbständig Störungen ausgleicht, wie z.B. nach einen Strömungsabriss wieder in die Normalfluglage zurückkehrt. Dies ist wichtig und notwendig um in größeren Höhen zu fliegen, denn irgendwann kann die Fluglage nicht mehr so genau erkannt werden, als dass ein ständiges Stabilisieren per Fernsteuerung gut möglich wäre.

Trägt einen der Bart zu weit nach Lee ist der Elektromotor eine angenehme Rückkehrversicherung die den Aktionradius gegenüber reinen Seglern vergrößert.

So ist eine Flugzeit von 2 Stunden schnell erreicht, etwa nach 3 Stunden setzten bei mir meist die ersten Anzeichen von Genickstarre, Hunger und Unlust ein, so dass ich oft früher lande als es eigentlich sein müsste.

Abschließend möchte ich evtl. am Nachbau eines ähnlichen Modells Interressierte ermuntern den Bauaufwand hierfür nicht zu scheuen. Wer sich nicht die Arbeit für aufwendige, selbstgefertigte Kohlerohrholme machen will, kann ebenso unidirektinale, endlosgezogene und preiswerte Kohlerohre aus dem Drachenbau benutzen. Diese kommen zwar nicht an die Torsionsteife eines speziell dimensionierten Holmes heran, was jedoch für den meisten Flugsituationen trotzdem ausreichend ist, da ja die Fluggeschwindigkeit des “Schrägen Vogels” nicht allzu hoch ist. Nur bei Notabstiegen bzw. längeren Sturzflügen kann ein solcher Flügel ins Flattern geraten.